Yoga-Retreat: Eine persönliche Erfahrung – auch als Yogalehrerin wertvoll Ein Yoga-Retreat? Ich dachte lange, das…

Weniger ist mehr – die Kraft der Zurückhaltung auf der Yogamatte
Viele von uns haben gelernt, immer alles zu geben – im Beruf, im Familienleben, im Alltag. Selbst in Momenten, die eigentlich der Erholung dienen sollen, greifen wir oft automatisch zu einem vertrauten Muster: voller Einsatz, volle Kraft voraus.
Weniger als 100 % fühlt sich schnell falsch oder ungenügend an. Und nicht selten schleichen sich dieser Ehrgeiz und der innere Leistungsdruck auch still und leise auf unsere Yogamatte.
Natürlich – es kann wunderbar sein, sich in der Praxis kraftvoll zu bewegen, den Körper zu fordern, Grenzen zu erweitern. Doch hast du schon einmal erfahren, wie tief nährend und berührend Yoga sein kann, gerade weil du bewusst nicht an deine Grenzen gehst?
Wenn du dich in der Bewegung, in der Atmung und in der Absicht zurücknimmst, entsteht ein innerer Raum, der oft viel tiefer wirkt als jedes „Mehr“ an Anstrengung.
Die 70-Prozent-Regel: Sanfte Präsenz statt Druck
Im Yin-Yoga spricht man in diesem Zusammenhang von der 70-Prozent-Regel: eine scheinbar kleine Zurückhaltung, die erstaunlich viel bewirken kann – nicht nur im Yin, sondern auch in fordernden Stilen wie Ashtanga oder Vinyasa.
Wenn wir mit feinem Gespür üben – nicht auf Hochleistung, sondern auf Verbindung ausgerichtet – dann verändert sich unsere Praxis grundlegend:
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Du atmest tief, aber sanft – ohne Druck.
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Du gehst in die Haltung – aber nur so weit, wie es sich gut anfühlt.
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Du nutzt deine Kraft – ohne dich auszubrennen.
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Und am Ende fühlst du dich angenehm belebt, nicht erschöpft.
Aus dieser achtsamen Zurückhaltung erwächst eine Qualität von Yoga, die nicht nur körperlich guttut, sondern dich dir selbst näherbringt. Es entsteht Präsenz, Tiefe – und ein neues Vertrauen in die Weisheit deines Körpers.
Ein uraltes Prinzip: Die Haltung als Raum für Balance
Bereits in den alten Yogaschriften finden wir Hinweise auf dieses Prinzip. In den Yoga Sutras des Patañjali heißt es:
„sthira-sukham āsanam“ (YS II.46)
Die Haltung soll stabil und angenehm zugleich sein.
Nicht angespannt, nicht schlaff – sondern ausbalanciert, lebendig, durchdrungen von Bewusstheit.
Genau in diesem feinen Gleichgewicht – zwischen zu viel und zu wenig – liegt die Kraft des Yoga. Wenn du deine Praxis nicht durch Intensität, sondern durch Achtsamkeit und Regelmäßigkeit vertiefst, öffnet sich ein Raum von innerer Weite und Stille.
Raum für das Wesentliche
Das Wunderbare ist: Du schenkst dir nicht nur mehr Energie für den Moment, sondern auch die Freude auf die nächste Praxis.
Denn am Ende ist es oft nicht das „Mehr“, das uns weiterbringt – sondern das bewusste Weniger, das Raum schafft für das, was wirklich zählt.